Nordseeman 2017 – Kleiner aber feiner Audauerdreikampf an der Küste

Wer mich kennt weiß, dass ich sehr viel vom Motto “Support your locals” halte. Die Atmosphäre unter den Teilnehmern und den Zuschauen ist halt eine ganz andere als bei M-Dot oder C-Herzchen-Events und so ist es für mich nur selbstverständlich, neben einem der großen Rennen auch an zwei bis drei “hausgemachten” Veranstaltungen pro Jahr teilzunehmen. Dieses Jahr ging es zum Nordseeman, mit dem ich auch unsere neue Kategorie “Race Report” eröffnen möchte. 

Nachdem sich die Teilnahme am Breisgau-Triathlon dieses Jahr aus organisatorischen Gründen (Ferien zu kurz) nicht wiederholen ließ, fiel die Wahl nach einiger Recherche auf den Nordseeman in Wilhelmshaven. Für die Teilnahme an diesem Rennen sprachen gleich mehrere Gründe: es handelte sich um eine vollständige Halbdistanz (1,9 km / 90 km / 21 km), Wilhelmshaven als Reiseziel und eine Streckencharakteristik, welche doch recht gegenteilig zu meiner geplanten zweiten Halbdistanz (Challenge Walchsee) ausfiel. Mit der Nordsee vor der Tür und einem vorgelagerten dreitägigen Kurztrip nach Hamburg – inklusive Hafenrundfahrt, Miniatur-Wunderland und Dom-Besuch – war auch die Familienkompatiblität gewährleistet.
Dieser Kurztrip hatte natürlich eine suboptimale Vorbereitungswoche zur Folge, denn Großstädte erkundet man meiner Meinung nach prinzipiell per pedes. Dementsprechend fühlten sich Füße und Beine bei der Ankunft in Wilhelmshaven am Freitag Abend eher nach einem gefinishten Marathon als nach Halbdistanzvorbereitung an. Dass ließ sich aber mittels heißer Bäder und einem sehr relaxten Samstag im Aquarium wieder halbwegs reparieren. Ambitionen zur persönlichen Bestzeit hatte ich bereits in Hamburg ad acta gelegt.

Der Samstag hielt zudem bestes Nordseeküsten-Wetter bereit. Eine ordentlich steife Brise gewürzt mit sehr hoher Luftfeuchtigkeit – im Rest Deutschland würde man dies vermutlich eher als “stürmisches Regenwetter” bezeichnen. Sei es wie es sei, wer sich für einen Wettkampf an der Küste entscheidet, der muss sich mit solchen Nebenwirkungen eben abfinden. Wir betreiben eine Freiluftsportart, da ist mit solch unangenehmen Dingen wie Wetter nun mal zu rechnen.
Der Positiv-Effekt in einer solchen Situation ist, dass diese unsägliche Neopren-Diskussion gar nicht erst aufkommt. Geschwommen wird beim Nordseeman im Jade-Ems-Kanal und im Hafenbecken, da ist mit Temperaturen, bei denen eine Eins als erste Ziffer steht, einfach zu rechnen und das Gummi in der Tat sogar gerechtfertigt.

Samstag Abend schließlich stand das Abholen der Startunterlagen und eine Besichtigung des Wettkampfareals im und am Kulturzentrum Pumpwerk auf dem Programm. Die Startunerlagenausgabe erfolgte schnell, effizient und unspektakulär, wie man es von solchen Events gewohnt ist. Die Besichtigung von Wechselzone und den Laufwegen um diese herum ließ bereits eine der Herausforderungen des nächsten Tages erahnen: Die Fahrradständer waren auf einer Wiese aufgebaut, die dank der nassen Wetterverhältnisse der Vortage eher an eine Sumpflandschaft erinnerte. Zudem waren die ausgelegten Teppiche auf den Laufwegen gnadenlos durchgeweicht. Dem erfahrenen Triathleten dämmert es hier: “Das bedeutet hinterher Rad und Schuhe putzen”…
Aber es ist wie es ist und schön Wetter kann jeder.
Das Pumpwerk selbst ist zentrale Anlaufstelle für den Nordseeman. Neben der Startunterunterlagen-Ausgabe findet hier der Schwimmstart unterhalb der Brücke über den Ems-Jade-Kanal statt, die Radstrecke startet und endet hier (der untere Wendepunkt des Rundkurses ist ebenfalls schnell zu Fuß zu erreichen) und auch der Wendepunkt der Laufstrecke befindet sich direkt vor dem Pumpwerk. Durch die kurzen Laufwege wird das Event somit auch für Zuschauer interessant, für die es am und um das Pumpwerk herum natürlich noch diverse kulinarische Optionen gibt oder auch einfach die Möglichkeit, kurz an den Südstrand zu spazieren, sich dort an den Deich zu setzten und die Aussicht auf Nordsee und schwitzende Läufer zu genießen.
Die Pasta-Party habe ich nicht getestet, sondern bin mit der gesamten Familie zur privaten Nudel-Schlacht ins Casa Grande gezogen, einem urig-italienischem Restaurant, dass ich jedem Wilhelmshaven-Besucher nur wärmstens empfehlen kann.

Wie es sich für Wettkampfsonntage gehört, war die Nacht auch an diesem um 6:00 Uhr zu Ende. Das Frühstücksbuffet des Hotels war bereits um 7:00 geöffnet und somit konnte ich ganz regulär Treibstoff bunkern. Pünktlich um 7:30 Uhr waren die Getränkeflaschen gefüllt, die Energieriegel verstaut sowie das Rad aufgepumpt und ich konnte mich eben auf dieses schwingen und die drei  Kilometer zum Pumpwerk fahren. Das Wetter sah um einiges vielversprechender aus als am Vortag, lediglich die Strassen waren noch etwas nass – und natürlich die Wechselzone. Der Check-In verlief problemlos und das Rad durfte in einem beliebigen Radständer versenkt werden. Allgemein ging es in der Wechselzone extrem locker und entspannt zu, weder bei den Athleten noch bei den Organisatoren oder Kampfrichtern war irgend etwas von Hektik oder Stress zu spüren. Gegen 8:30 Uhr quetschte sich dann langsam jeder in seinen Neopren während im Hintergrund die Wettkampfbesprechung auf einem Ohr mitgehört wurde. Eigentlich war man mehr am Schnacken, als dabei, sich auf den Wettkampf zu konzentrieren. Ich habe selten so eine lockere Atmosphäre vor einem Wettkampf erlebt.

Gestartet wurde ab 9:00 Uhr in kleineren Startgruppen alle fünf Minuten. Die Startgruppen selbst waren nach Altersklassen eingeteilt, was natürlich gewährleistete, dass man trotz Wellenstarts zumindest in der AK eine ungefähre Ahnung hat, wo im Feld man sich ungefähr befindet (vorausgesetzt, man hat sich auch noch die passenden Nummernkreise zu den Startgruppen gemerkt).
Für mich ging es um 9:10 Uhr los. Der Start zum Schwimmen unter der Brücke mit den ganzen Zuschauern im Rücken ist einfach nur genial. Ob jetzt als akustische Untermalung unbedingt “Chariots on Fire” sein muss (Klischee, Klischee), lasse ich mal dahin gestellt, aber es hat der Stimmung definitiv keinen Abbruch getan.
Durch die kleinen Startgruppen und den Wasserstart entfiel natürlich jegliche Form der Waschmaschine und man musste sich schon sehr anstrengen, um mit einem anderen Teilnehmer auch nur ansatzweise zu kollidieren. Lediglich kleine Scharmützel mit den im Hafenbecken heimischen Quallen waren zu verzeichnen.
Als Schwimmer in den vorderen Reihen musste ich hier das erste Mal mit dem Problem kämpfen, keinen Pulk vor mir zu haben, an dem ich mich orientieren konnte, sondern ganz regulär nach Bojen navigieren. Vereinzelt tauchte mal eine rote Badekappe, welche einen Schwimmer aus meiner Startgruppe anzeigte, neben mir auf. Ansonsten hieß es: 950m raus ins Hafenbecken, 950m zurück, das Risiko sich zu verschwimmen war also hinreichend minimal. In welche Richtung wir jetzt gegen und in welche wir mit der Strömung schwammen, haben wir bis heute nicht eindeutig geklärt. Faszinierend ist auf jeden Fall die Kombination aus Neopren-Anzug und Salzwasser, was einem doppelten Auftrieb verleiht und man fast schon das Gefühl hat, über der Wasseroberfläche zu schweben.
Geplant hatte ich jedenfalls ein sehr kontrolliertes Rennen ohne Einbrüche auf einer der Teildistanzen. Entsprechend versuchte ich es beim Schwimmen etwas zurückhaltender als sonst üblich, wobei ich mich auf den letzten 100 Metern fühlte, als wäre ich die Strecke viel zu locker angegangen. Um so mehr war ich hinterher überrascht, als im Ergebnis für die 1,9 km eine Zeit von 30:12 Minuten auftauchte und schon fast wieder ein wenig Frust aufkam, weil ich zwar meine eigene Bestzeit auf dieser Distanz um genau eine Minute verbessert hatte, aber durch einen vermasselten Ausstieg, bei dem ich die unterste Stufe der Treppe verfehlte, eine Zeit mit einer 29 am Anfang verschenkt hatte.

Der Weg in die Wechselzone und das Abstreifen des Neoprens mutierte zu der am Vortag erwarteten Schlammschlacht, ebenso wie das Anziehen der Radschuhe. Der ersten Wechsel hatte ich also schon mal richtig vermasselt, und so dauerte es auch viel zu lange, bis ich endlich im Sattel saß. Bei der Radstrecke selbst handelte es sich um einen 17 km langen Rundkurs über den Friesendamm und an der Marinebasis vorbei, welcher fünf mal gefahren werden musste. Erwartungsgemäß sind an der deutschen Küste eher selten Bergpassagen zu finden, und somit ist dieser Kurs bis auf die Jachmannbrücke, welche insgesamt 10 Mal überfahren werden muss (2 Mal auf jeder Runde, macht vermutlich am Ende auch 150 Höhenmeter) fast vollständig flach.

An dieser Stelle sei mir ein kleiner Einwurf erlaubt: Mir persönlich fällt auf, dass es da draußen einen Haufen Triathleten gibt, die immer eine flache Mitteldistanz suchen. Alleine das Warum ist mir nicht vollständig klar. Die Annahme, dass es im Flachen einfacher wäre halt ich für nicht wirklich zutreffen, denn man liegt fast 98% der Zeit in Aeroposition auf seinem Lenker und hat ständig ordentlich Druck auf den Pedalen. Da gibt es keine Abfahrt, wo man mal ein wenig Power rausnehmen kann oder auch mal Passagen, wo Schultern und Kreuz ordentlich entlastet werden. Von daher ist das Risiko, sich auch im Flachen ordentlich die Beine zu grillen nicht wesentlich geringer, als bei hügeligen und bergigen Kursen.
Auch bei mir stellten sich aber Ende der dritten Runde deutliche körperliche und auch psychische Ermüdungserscheinungen ein, denn spätestens dann kannte ich jeden Stein am Straßenrand beim Vornamen. Aber gut, dass ist ja ein Phänomen, dass die meisten Radstrecken vereint, egal wie viele Runden man fahren muss und ich vermute, auch die Lavawüste auf Hawaii wird spätestens ab Kilometer 100 eher langweilig.

Mein Bike-Split lässt sich im Nachhinein maximal als solide bezeichnen. Ich hatte im Vorfeld aufgrund meiner Trainingsleistungen gehofft, vielleicht 2 km/h mehr im Schnitt zu fahren (über 35 km/h), dass war aber am Ende einfach nicht drin – zumindest wenn man dass Ziel hat, danach noch einen halbwegs ordentlichen Halbmarathon zu laufen. Eine genaue Zeit habe ich leider nicht, da beide Wechsel mit in den Split eingerechnet wurden (2:54:54 Stunden), aber geschätzt müsste diese bei etwa 2:43-2:44 Stunden liegen, also etwas über 33 km/h.

Die Situation in der Wechselzone hatte überraschenderweise in der Zwischenzeit nicht wirklich verbessert, was den Wechsel in Socken und Laufschuhe nicht einfacher machte. An der Stelle war mir das aber auch schon egal. Die Laufstrecke von 5,3 Kilometern Länge verlief dann vom Pumpwerk über die Jadeallee zum Deich und danach noch 1,5 Km am Südstrand entlang bis zum Wendepunkt und zurück zum Pumpwerk und musste insgesamt vier mal durchlaufen werden.
Für mich hieß es, dass Laufen eher zurückhaltend anzugehen, denn dass Ziel war, den Halbmarathon ohne Pausen und vor allem ohne Krämpfe mit konstantem Tempo durchzulaufen, etwas, was mir bei meinen bisherigen Mitteldistanzen noch nicht geglückt ist. Die Beine fühlten sich jedoch recht ordentlich an und so war ich guter Dinge, dass ich mein gestecktes Ziel auch erreich konnte. Aber auch bei der Laufstrecke gilt das gleiche, was bei allen Rundkursen auftritt: es tritt mit der Zeit eine gewisse psychische Ermüdung ein. In der dritten Runde musste ich schwer gegen das Verlangen ankämpfen, mich einfach in die Wiese am Deich zu legen und den anderen zuzuschauen. Nachdem ich eben diesem widerstanden hatte, wusste ich am Wendepunkt, dass ich meine Vorgabe trotz ab und an ordentlich wehendem Gegenwind fast genau treffen würde, zwar etwas langsamer als erwartet, aber jede Runde nahezu bis auf die Sekunde genau im gleichen Tempo laufend (Schnitt 5:28/km). So ging dann auch die letzte Runde halbwegs locker vom Fuß und ich konnte nach insgesamt 5:20:30 Stunden ohne größere Probleme die Ziellinie überqueren und meine persönliche Bestzeit auf der Halbdistanz um fast 9 Minuten verbessern. Meinem großen “Sub 5”-Ziel bin ich damit zwar nur ein kleines Stück näher gekommen, mit dem Gesamtergebnis bin ich trotzdem mehr als zufrieden. Schwimmleistung verbessert (und wie eh und je zumindest da immer ganz vorne dabei), Radleistung zumindest konstant gehalten und einen kontrollierten Lauf am Ende hingelegt – von daher passt das alles.

Das Fazit zum Event selber: Es ist schade und leider etwas unverständlich, dass solch liebevoll organisierten Events wie der Nordseeman nur so geringe Starterzahlen (auf der Mitteldistanz waren es inklusive Navy-Cup etwa 180 Teilnehmer) aufweisen können, denn was man hier geboten bekommt, ist eigentlich super Triathlon-Sport. Natürlich gibt es keine organisierten Stimmungsnester und kilometerlangen Zuschauerspaliere an der Laufstrecke und für wen ein Triathlonevent einzig und alleine das ausmacht, ist beim Nordseeman mit ziemlicher Sicherheit falsch aufgehoben. Was ihr dort bekommt, sind Teilnehmer und Organisatoren, denen der Sport wichtiger ist als irgendwelches Klimbim drumherum, die eine familiäre Atmosphäre schaffen und trotz eingeschränkter Mittel eine tolle Strecke mit super organisierten Verpflegungsstellen und Wettkampfareal anbieten. Die Helfer sind super freundlich und motiviert und man kommt selten an einem vorbei ohne ein wenig Smalltalk zu halten. Vielleicht sind es nur weniger Zuschauer an der Strecke, aber die jubeln Euch definitiv ohne Stimmungsmacher zu.
Wenn man das Event dann noch mit ein paar Tagen Urlaub verbindet, dann lohnt sich auf jeden Fall auch eine längere Anfahrt.

Mein Aufruf: Unterstützt solche Veranstaltungen. Auch hier findet echter Triathlon-Sport statt und der Nordseeman hat definitiv ein größeres Starterfeld und auch den ein oder anderen Top-Athleten verdient!

 

3 Kommentare

  1. Hi ich kann dir nur zustimmen … es ist ein sehr schöner und auch recht gut Organisiert Wettkampf .. ich habe diese Jahr bereits zum 4 mal teilgenommen und bin noch nie enttäuscht worden .. schade ist nur das es diesmal wirklich wenig TN waren … aber vielleicht wird es ja nächstes Jahr wieder besser

    • Wilhelmshaven ist schon auf meiner Shortlist für die kommenden Jahre, also sieht man sich mit ziemlicher Sicherheit wieder.
      Klar darf der Bericht jederzeit und überall geteilt werden.

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