Chicken Run – Wenn Hennen flennen und dann doch losrennen

Man sagt ja, Männer seien wehleidig, wenn sie krank sind. Aber keiner redet darüber, wie wehleidig Frauen sein können, die Leistungsdruck und Wettbewerb eher als Strafe denn als Ansporn empfinden.

Um das Szenario mal ehrlich und ungeschönt darzustellen: Ich habe alles dafür getan, meinen ersten 10 km Lauf gründlich zu torpedieren und das Schicksal hat mich extrem erfolgreich dabei unterstützt. Ein Akt in drei Teilen, bitte sehr:

Prolog

Wir Möchtegern- und Ausdauerfreaks wollten uns mit ca 10 Leuten für den Lauf für mehr Zeit in Frankfurt als Jahresabschluss zusammenrotten und einem guten Zweck in die Hände spielen. Edler Zweck, motivierendes Szenario. Nachdem dann nach und nach die komplette Mannschaft wegen diverser Gründe (keine Ausreden, nein, ehrliches Pech!) ausfiel und zur Krönung unser Kurzer pünktlich Freitagabend beschloss, sich das Wochenende damit zu vertreiben, zu fiebern und uns als Krankenpfleger zu beschäftigen, hatte sich das Thema sehr zum Frust des Ehegatten und Initiator der kleinen Gruppe endgültig erledigt. Ich war ehrlich gesagt erleichtert, da ich mich mit meinen spontanen 7-8 km Läufen nicht wirklich gut vorbereitet wusste. Und einmal die Woche Yoga ist prima für die Körpermitte, Balance und inneren Frieden, bringt mich untrainierten Wicht aber nicht ins Ziel.

Ach, wie gut, dass einer unserer Mitverrückten die Info über den Quellenlauf eine Woche später hatte. Ich so: „Komm Schatz, ist doch super, das machen wir! Und ich hab noch ne ganze Woche Zeit zu trainieren! Ich fang gleich Montag an!“ Jaaaa….. Am Montag war ich dann auch brav neun Kilometer laufen. Am Dienstag hab ich die Stabis „vergessen“, von Mittwoch bis Samstag wurde prokrastiniert, Freitag abend waren wir zudem bis um drei Uhr in der Disco – nicht nüchtern -, Samstag musste unbedingt der Tag in Sushiherstellung und -vernichtung (Ratet mal: nicht nüchtern!) investiert werden, mit Besuch, Weisswein, Sake, Erdbeerlimes und allem was man noch so lassen sollte – und dann hiess es sonntags um halb acht: Der große Tag ist da. Frei nach dem Motto: das ist nicht alles, nein, wir können das noch ekliger gestalten, verrenkt sich Frau auch noch zehn Minuten vor Abfahrt den Rücken.

Panisch, schlecht gelaunt, flauer Magen, doofe Schulter und hungerpipikaltmässig vor mich hinmotzend sind wir dann zum Schafott… äh, zur Burg gefahren. Wie sehr hat mein tapferer Held versucht, mich vom Lampenfieber runterzuholen. Was ist er ruhig geblieben (Mann, sei bitte immer so geduldig mit mir!)…

Vor Ort haben wir uns dann mit Leo getroffen, der auch Respekt vor dem hatte, was ihm da blüht (die sind ja alle wahnsinnig und laufen mal eben so 21 km…), was mich irgendwie beruhigt hat. Nicht nur ich weiß, dass ich leiden werde, super!

Die Jungs sind dann brav eine halbe Stunde vor mir gestartet (mit dem Abschiedskuss und einem „ich hol dich dann auf der zweiten Runde kurz vorm Ziel ein, Schatz“ wurde ich dann nochmal so RICHTIG beruhigt *ironie-off*) und ich hatte noch eine halbe Stunde Zeit, zu frieren, mich zu dehnen, voll selbstbewusst auszusehen und komischen Smalltalk zu führen.

Hauptakt

Und dann gings los. Um Himmels Willen, ich hatte überhaupt kein Gefühl dafür, welches Tempo ich laufe. Das konnte ja was werden. Gut, dass mein einziges Ziel war, selbiges irgendwie zu erreichen. Nimmt echt Druck raus, so ne Einstellung..

Okay, erstmal darauf achten, kein Seitenstechen zu kriegen. Und nicht einfach losrennen. Der Typ, der mir was von Pace 5:45 erzählt hat, ist schon weg, okay, dann bin ich langsam genug. Und noch nicht letzte. Und mir wird grad warm. Super. Ach guck, da kommt mir Thomas schon entgegen. Abklatschen, grinsen, nicht leidend aussehen und weiter. Oh, da kommt Leo. Nochmal lächeln, abklatschen und … he, das macht ja wirklich Spaß. Ich tu ja gar nicht nur so. Fein, hab ich grad mein Tempo gefunden? Super, die in der weißen Kappe läuft genauso wie ich. Vielleicht krieg ich die ja später, wenn ich sie nicht mehr als Hase missbrauche… Schöne Strecke übrigens. Was? Kilometer Zwei und die tanken am Versorgungsstand?! Nee, bloß nicht. Ich muss ja jetzt schon aufs Klo. Und das noch acht Kilometer lang, wie soll denn das funktionieren?!“

Ja, glamouröser waren die Gedanken nicht. Ich muss aber wirklich sagen, die Leute – also Helfer wie auch Mitläufer (haha, Wortwitzkasse) waren alle total nett – und die Strecke ist echt schön gewesen. Gottseidank hatte es zwei kleine Anstiege drin. Das brauch ich, das macht mich danach nämlich schneller. Und Bad Vilbel, die Nidda, die ganze Umgebung war wirklich hübsch anzusehen. Was mir echt gutgetan hat, war, dass ich die Strecke gar nicht kannte. Da war der Kopf mit Gucken beschäftigt und hat nicht zuviel Mist gedacht. Zudem war es nicht zu warm. Ich hab am Anfang echt gefroren, bin mit langem Shirt gestartet und das war genau richtig.

Die letzten 10 Meter macht der Kopf echt zu und ich musste mich zusammenreißen, nicht langsamer zu werden. Gefühlt hab ich den absoluten Endspurt hingelegt,allerdings sieht das beim Zieleinlauf mal gar nicht so aus. Will auch keiner sehen, wie ich da reinge(g)litten bin.

Epilog

Ich bin stolz wie Oskar auf meine 1:07h, mit der ich nie gerechnet hätte. Ich dachte, ich hau ne 1:15h rein und wenn ich echt viel Glück habe, schaff ich es, ohne zwischendrin zu gehen. Und das Gefühl ist echt gut. Du kommst ins Ziel, die Sonne kommt aus den Wolken, du schnappst dir was zu trinken und zu essen, genießt die Sonne, dein Körper und dein Kopf fühlen sich ganz leicht an. Thomas kam direkt danach ins Ziel und hats ohne Schmerzen gerockt und dann Leo, der genauso über sich selbst hinausgewachsen ist wie ich selbst. Das war eigentlich das Beste daran: Sich gemeinsam über seine eigene Leistung und die der anderen zu freuen. Toller Saisonabschluss für die zwei, für mich ein guter Anfang.

Leider geil.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*