“Hätte ich damals gewusst…” ist ein viel strapazierter und gern gebrauchter Satz, der häufig bei der Erkenntnis verwendet wird, dass Erfahrung etwas ist, dass man bekommt, kurz nachdem man es gebraucht hätte. So verhält es sich auch für viele von uns, die ohne (guten) Coach, dafür aber mit Ambitionen und diversen Trainingsplänen ausgestattet, versuchen, sukzessive ihr Leistungsniveau zu steigern. Dabei ist es gar nicht so schwierig mit ein wenig Erfahrung zumindest grundlegende Erkenntnisse auch ohne Trainer aus den eigenen Wettkampf- und Trainingsdaten abzulesen…und 20 Jahre später dann auch richtig zu interpretieren.
Sind wir ehrlich: Das Wissen, dass Triathleten meistens zu viel und zu hart trainieren ist inzwischen ja Allgemeingut. Zu schnell, zu lang, zu intensiv – ich will mich von dieser Tatsache auch überhaupt nicht selber ausschließen, gehöre ich doch selber zu der Fraktion, die mit selbst gebasteltem Trainingsplan und ohne Coach (dafür im Austausch von Erfahrungen mit anderen Triathleten) im Trial & Error-Modus versucht, die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Dementsprechend kann ich auch nicht auf einen so umfangreichen Fundus an Wissen und Erfahrungen zurück greifen, wie ein diplomierter Sport-Wissenschaftler und/oder ausgebildeter Trainer. Das hat auch Konsequenzen: zum Beispiel, das Wissen, dass mein Weg zu einer besseren Performance mit Sicherheit nicht der Optimale ist und ich eventuell für vieles länger brauche, als es eventuell nötig wäre. Auf der anderen Seite ist mein Training für mich dann auch keine “Black Box”, bei der ich Dinge tue, ohne zu wissen, was sie für Konsequenzen für meine Leistung habe.
Aber wie kann ich nun herausfinden, ob ich richtig oder falsch trainiere ohne die entsprechende Fachkenntnis? Nun, eigentlich ganz einfach: Beobachten und die richtigen Schlüsse ziehen. Das kann man manchmal etwas länger dauern – in meinem persönlichen Fall fast 20 Jahre und diese Erfahrung möchte ich an dieser Stelle gerne teilen.
Ich gehöre zu den Trias, die dass Glück haben, ursprünglich vom Schwimmsport zu kommen (und somit keine Angst vor der ersten Disziplin). In meinem Fall bedeutet dies konkret, dass ich schon sehr früh bis zu meinem 19. Lebensjahr als Leistungsfisch meine Bahnen gezogen habe, dass allerdings in einem “Wald- und Wiesenverein” ohne extrem hohe Ansprüche. Trainiert wurde generell zweimal die Woche (später kam noch ein Tag mit Krafttraining hinzu) und zwar vornehmlich auf Sprintstrecken (50-200 Meter in allen Lagen). Irgendwann im Alter zwischen 14-16 pendelte sich die Zeit für die 100m Freistil knapp jenseits der 1-Minuten Marke ein….und blieb dann auch da. Für die erste Zeit war das noch ok, aber es wollte einfach nicht mehr vorwärts gehen. Selbst als ich dann mit 16 die Trainingsumfänge bis hin zu täglichen Einheiten erhöhte. Begründet wurde dieses Phänomen mit der Tatsache, dass ich einfach nicht die körperlichen Voraussetzungen für schneller Zeiten hätte. Zusätzlich wurde mir noch von medizinischer Seite (medizinischer Check beim Gesundheitsamt) attestiert, dass ich eine mangelhafte Kondition haben würde. Motivierend war das natürlich nicht, irgendwann war der Spaß dann weg und mit 19 das Thema Schwimmen und Kacheln zählen für mich (vorerst) erledigt. Von Trainingsaufbau und Steuerung hatte ich damals noch keine Ahnung und habe stumpf das Programm herunter geschwommen, welches der Trainer mir vorgab.
Die Erkenntnis, dass damals so einiges nicht richtig war, ereilte mich erst, als ich vor ein paar Jahren mit dem Ausdauersport und Triathlon begann und mich grundsätzlich ein wenig mit Trainingsgestaltung und Steuerung auseinandersetzen musste. Während ich beim Laufen und Radfahren bei 0 anfing, waren grundlegende Fähigkeiten im Bereich Schwimmen schon vorhanden und Distanzen von 2000 Metern auch mit fast 16 Jahren Trainingspause (inklusive Ausflug ins Raucherlager) kein Problem. Es musste halt nur ein wenig Geschwindigkeit her. An dieser Stelle hieß es, sich mit Intervallen, Pyramiden, aerober und anaerober Leistung, usw. auseinander zu setzen. Und hier kam mir das erste mal der Gedanke, dass mit dem Trainingsprogramm, wie es bei uns damals im Verein Standard gewesen gewesen ist, eine Verbesserung der Leistung am Ende fast ausgeschlossen war. Eine Einheit bestand fast immer aus 400-800 Meter Einschwimmen, 800 Meter Arme/Beine, 800 Meter kurze Sprints (25 oder 50 Meter) und 400 Meter Ausschwimmen – natürlich mit leichten Variationen. Als ich am Ende jeden Abend eine Einheit geschwommen bin, wurden fast ausschließlich 3000 Meter Einheiten durchgeschwommen, gelegentlich 1000 Meter davon mit Paddels – allerdings nicht so moderne, ergonomische Teile, sondern rechteckiges Plastik mit ein paar Plastikschläuchen für die Finger.
Dabei lagen alle Information. welche man benötigt hätte, um die richtigen Schlüsse zu ziehen, auf dem Silbertablett bereit. Wer in einer Stunde zwischen 3 und 3,5 km schwimmt, der hat keine schlechte Grundlagenausdauer (nur weil der Puls nicht in der Norm ist; aber beim Gesundheitsamt kannte man damals noch keine Hochpulser). Und wenn der Trainier regelmäßig bei Wettkämpfen feststellt, dass die ersten 50 Meter bei 100 Meter Freistil locker unter 30 Sekunden liegen und dann auf den zweiten 50 Metern der Einbruch kommt, ist das Problem mehr als offensichtlich. Grundlagenausdauer passt, Schnelligkeit passt, aber die Kraftausdauer fehlt!
Schaut man sich das Standardprogramm von damals an, ist das Leistungsprofil eigentlich auch nur logisch und konsequent: Es wurden sehr lange Distanzen am Stück trainiert (Grundlagenausdauer) und sehr kurze Sprints (25-50 Meter). Kraftausdauer für 100 oder gar 200 Meter fehlten vollständig, keine längeren Intervalle, kein Steigerungen, etc. Einigen machte so das kaum etwas aus, für mich war es der Leistungsbegrenzer, an dem ich mir bis zum Ende die Zähne ausgebissen habe.
Was will ich mit dieser Anekdote sagen?
Hätte ich damals (jaja, ich weiß…hätte, hätte) mit ein wenig gesundem Menschenverstand und etwas Logik auf die Situation geschaut, mich ein wenig informiert und gewisse Dinge hinterfragt, dann wäre meine Schwimmerlaufbahn wohl anders verlaufen. So hat es fast 20 Jahre Abstand gebraucht, um die Dinge im rechten Licht zu sehen. Das Training selber war die bereits erwähnte Black-Box. Man hat ausgeführt, aber nicht verstanden!
Die Erkenntnisse, die ich aus dieser Begebenheit gezogen habe, konnte ich so auf die anderen Disziplinen anwenden: Ja, Grundlagen sind wichtig, genau wie die Schnellkraft, aber wer die Kraftausdauer für die jeweiligen Strecken vernachlässigt, der wird sich sehr schnell an einer Leistungsgrenze festbeißen. Ich habe also aus den mir zur Verfügung stehenden Daten und ohne persönlichen sportwissenschaftlichen Hintergrund meine Schlüsse gezogen und entsprechend in mein Training integriert.
Inzwischen bin ich in der Situation, auch dem ein oder anderen “Neu”-Triathleten beim Training beratend unter die Arme greifen zu dürfen (immer Getreu dem Ausdauerfreaks-Motto “Grenzen gemeinsam durchbrechen”). Die Erkenntnisse, welche ich mit meinem Trial & Error System gewonnen habe, reiche ich dann gerne “bereinigt” weiter. Es ist nicht nötig, dass andere die gleichen offensichtlichen Fehler machen wie ich. 😉
Und trotzdem bleibt einer meiner essenziellsten Ratschläge: Probiert aus! Verwerft, was nicht passt und baut aus, was Euch voran bringt! Keiner kennt Euch besser als Ihr selbst. Wer sich im Ausdauersport über kurz oder lang nicht selber kennen lernt, wird auch niemals seine echten Grenzen ausloten können.
Crush your limits!
Euer Tom
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