Mein Mann ist Triathlet…

…und das ist auch gut so!

Ich weiß noch genau, wie das alles anfing. Wir saßen sonntags bei seiner Familie zu Tisch und er sah wieder fürchterlich blass aus. Irgendwann folgte die Feststellung: „Mann, Schatz, irgendwie glaub ich, dass ich Sport machen muss, mir geht’s nicht so gut…“ – und gesagt, getan. Wir haben hin und her überlegt, was wir machen können. Studio? Nee, blöde Idee. Da zahlt man ewig viel Geld, das Sehen und gesehen werden ist auch blöd und überhaupt, da gibt’s keine frische Luft – im Gegenteil. Außerdem müsste man das ja jedes Mal aufwendig planen, zudem was Gescheites finden, mit dem Auto zum Sport und zurück fahren – sprich, das geht schon mit einem Widerspruch in sich los – also nee.
Was also tun? Frische Luft. Einfach loslegen können. Minimale Kosten zu Beginn, weil wer weiß schon, wie konsequent wir das wirklich verfolgen…. – also gehen wir mal zum Deichmann und gucken nach Laufschuhen.

Gesagt, getan. Vierzig Euro das Paar (und meine waren total hübsch, die sahen von oben aus wie kleine Haifische mit dem Grau und der weißen, etwas überstehenden Sohle und den blauen Akzenten, ja, sowas ist Frau erstmal wichtig…) – vergiss Anatomie, stützende oder wasserabweisende Eigenschaften oder besonders leichte bzw. Trail- oder Straßenschuhe – alles, was man heutzutage bedenken würde. Dieser Einkauf enttarnte unser Vorhaben als das, was es war: purer Dilettantismus.. Zunächst.

Den ersten gemeinsamen „Lauf“ vergesse ich auch nie. Wir starten hochmotiviert und laufen die absolute Mörderstrecke von 800 Metern um unseren Gänseweiher. Wir keuchen, schnaufen, sind am Ende hochrot, außer Puste, dreimal gestorben, riechen auch so und sagen trotzdem voller Stolz: Das war der erste Schritt, Mann war das hart, aber Mann, wir sind Herta! Oder so.

Es hat nicht lange gedauert, da hat mein Göttergatte mich überflügelt. Er wollte mich konsequent mitziehen, aber mir was das erstmal egal. Ich war der Meinung, hey, ein- zweimal die Woche an die Luft, bisschen bewegen, so 3-5 km, das langt mir völlig. Ich war nicht bereit, mehr Zeit zu investieren. Das hat mein Liebster auch irgendwann grummelig akzeptiert und allein weitergemacht. Nach dem ersten 10er war er so stolz, und was war ich stolz auf ihn. Ich kann nicht umhin, festzustellen, dass sein Dickkopf ihm da sehr zugute kommt. Er muss sich manchmal an irgendwas die Hörner abstoßen – und da ist der Sport genau der richtige Ort, es tut keinem weh und er fordert sich selbst heraus und kämpft gegen den fiesesten aller Gegner: Seinen eigenen Schweinehund.

Seitdem wurden die Strecken konsequent länger und das Equipment teurer. Seitdem ist der Mann im Durchschnitt acht bis zehn Stunden die Woche am Trainieren. Seitdem habe ich kurz vor Wettkämpfen einen achttägigen Kochplan, um ihn auch von der Ernährung her optimal vorzubereiten. Die Waschmaschine läuft in der Woche dreimal öfter. Und regelmäßig kommt ein bittender Blick, der besagt, dass die selbstgebackenen Energieriegel leider schon wieder leer sind und Nachschub gebraucht wird. Ach ja, und er hat mittlerweile mehr Schuhe im Regal als ich.

Und nicht zuletzt freut es mich ja auch. Ich weiss noch, wie mich anfangs Freunde gefragt haben: „Wird dir das nicht zuviel? Ich mein, das ist schon ne ganz schöne Umstellung, mich würd das ja nerven…“ und ich hab gesagt, naja, also eigentlich find ich das ja gut, mal gucken, wie sich das weiter entwickelt.
Und es hat sich entwickelt. Zum Einen: Ich habe mich an ihm weiterentwickelt, mache selbst auch mehr als am Anfang. Meine Motivation hält sich im Vergleich noch ziemlich in Grenzen, aber immerhin habe ich einen Trainingsplan, den ich versuche, einzuhalten und der mir hoffentlich hilft, meine überschüssigen fünf Kilo zu besiegen und mich fit in eine späte Schwangerschaft zu schicken. Ich möchte dieses Jahr einen ordentlichen 10 km Lauf in Oberursel hinlegen, die Rotkäppchendistanz beim Bad Wolf Dirt Run meistern und ein Teil der 10 Freunde sein. Das ist für mich mehr als ich mir jemals zugetraut hätte. Vor diesem Mann war mir Sport eher Strafe, mittlerweile genieße ich es, wenn ich eine Stunde entspannt laufen kann. Irgendwer sagte mal: Laufen gehen ist Draußen spielen für Erwachsene, und ja, so fühlt es sich an.

Zum Anderen hat auch jeder für sich ein wenig mehr Zeit. Meine Einstellung ist nach wie vor, dass man als Paar und auch als Familie nicht permanent aufeinanderglucken muss. Es darf gern verschiedene Interessen geben, die man auch alleine auslebt. Genauso wie man auch mal allein ein paar Tage Urlaub machen kann. So kommt keiner zu kurz und die Beziehung besteht nicht ausschliesslich aus Gemeinsamkeiten und Kompromissen, sondern auch aus eigenen Interessen, über die man sich austauschen kann. Wäre das langweilig, würde es solche Freiräume nicht geben!

Und was ihn betrifft: Er ist ausgeglichener. Er hat eine gesunde Gesichtfarbe und im Sommer lustige Tanlines. Er ist absolut heiß mit seinem drahtigen, trainierten Body, der aber nicht künstlich aufgepumpt wirkt wie manche Jungs, die aus dem Studio kommen und nur partielle Muskeln aufbauen. Man kann viel mit ihm unternehmen, weil er fit ist und ihm die Puste nicht ausgeht. Und was das Wichtigste ist: Er fühlt sich wohl in sich selbst und das fühlt sich für uns alle gut an.
Dieser Mann hat sich aus 20 kg rausgekämpft (mit denen ich ihn auch attraktiv fand, logo, aber hey, Mädels, ihr würdet diesen Ist- Zustand sicher auch nicht mehr hergeben wollen, oder?) und das im Ü30 Alter. Das allein ist eine Megaleistung. Ich wäre doch furchtbar grausam, würde ich ihn da einschränken wollen.

Der Sport ist zu seinem Lifestyle geworden. Natürlich beeinflusst das uns. Aber wie immer habe ich die Wahl, wie ich das betrachten möchte: Sage ich „Mimimimi, er arbeitet doch 40 h die Woche und dann investiert er auch noch 15 in Sport“ oder sage ich: „Hey, ich arbeite auch. Und irgendwann mach ich ja auch den Haushalt, gut, wenn er mir dann aus den Füssen ist, weil er auf dem Rad sitzt. Er schafft es trotzdem, einmal die Woche für mich zu kochen und wenn er dann für mich da ist, ist er frisch geduscht, riecht gut und hat gute Laune und ich kann seine Gesellschaft viel besser genießen“. Sage ich: „Mensch, jetzt haben wir ein langes Wochenende und das Kind ist outgesourct, jetzt könnten wir soviel anderes tun als zu nem Triathlon zu fahren und das ganze Wochenende über Sport und Vorbereitungen reden!“ oder freu ich mich, dass wir für kleines Geld regional mal rauskommen, was anderes, unaufgeregtes sehen und ich mich drei Tage mal nicht um Haushalt, Pflichte, Kochen, Einkaufen kümmern muss, sondern mal Zeit habe, ein Buch zu lesen und die Seele baumeln zu lassen? Es liegt doch bei mir.

Natürlich geht es um eine Menge Zeit, das will ich gar nicht leugnen. Hier gibt’s aber auch ein ganz einfaches Rezept: Gute Planung im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten.
Das heißt früher aufstehen, ausgedehnte sportlich aktive Mittagspause und dafür abends etwas länger. Bzw. etwas mehr Homeoffice, da damit locker eine Stunde Fahrt eingespart wird. Samstags nicht bis halb elf schlafen, sondern um acht aufstehen, Brötchen holen, die Holde mit Kaffee wecken und nach dem Frühstück vier Stunden Action und dann Familienzeit bis abends.

Jungs, ich als Frau sage euch: Die Ausrede Familie zieht nicht. Jedenfalls nicht bei mir. Plant besser. Zeit, die man nicht hat ist Zeit, die man sich nicht nimmt. Und lasst euch Eier wachsen und setzt es einfach durch.

Mädels: Gönnt euch und ihnen die Zeit. Ihr habt echt mehr davon, wenn ihr euch darauf einlasst, in allen Belangen. Steht hinter euren Kerlen, wenn sie sportlich sind, haben wir mehr Zeit in diesem Leben an ihrer Seite. Und neben der gemeinsamen Zeit noch genug Freiräume für Mädchenkram.

Zugegeben, wir haben eine komfortable Ausgangssituation: Er ist zeitlich etwas flexibler mit der Arbeit, ich bin mit einer halben Stelle unterwegs und der Große ist eben schon zehn Jahre alt. Finanziell geht es uns so gut, dass wir eine Startgebühr für Roth schon mal raushauen können, ohne danach zwei Wochen nur Nudeln zu essen. Da muss man auch ehrlich bleiben. Jedoch seh ich die Sache so: Wenn man etwas wirklich will, gibt es den bestmöglichen Plan, und den sollte man gemeinsam erarbeiten. Ich finde es wichtig, dass meine Mann mich in seine Überlegungen miteinbezieht. Mir macht es Spaß, ihm den letzten Tritt in den Hintern zu geben, wenn er nicht weiß, ob er sich und uns das zumuten soll – und genau das macht es für mich aus: Er achtet auf uns. Ein Triathlon im Schwarzwald bedeutet ein langes Urlaubswochenende mit Essen gehen und Europapark – und jetzt sagt mir mal, wo wir da zu kurz kommen.

 

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