Freak-Kultur: Tri, ein Triathlon-Film

Das es unsere geliebte Sportart in cineastischen Kreisen schwer hat, ist hinlänglich bekannt. Das mag zum einen an der sehr überschaubaren Größe der Zielgruppe liegen, zum anderen eignet sich die Dramaturgie eines solchen Wettkampfes nur bedingt für spannende und abendfüllende Leinwandunterhaltung. Die wenigen Versuche, bei denen versucht wird, den Ausdauerdreikampf doch filmisch zu inszenieren, konzentrieren sich dann in den meisten Fällen eher auf den Charakter und die Dramen im Leben des Sportlers und lassen das eigentlich Triathletische in den Hintergrund rücken. Um so erstaunter war ich, als ich mehr durch Zufall auf die Indie-Produktion “Tri” aus dem Jahr 2016 gestoßen bin und noch viel überraschter, was den Machern in diesem gut 105 Minuten langen Machwerk gelungen ist.

Die grundlegende Story ist schnell erzählt: Natalie ist medizinische Fachangestellte (bzw. das amerikanische Pendant zu diesem), dafür berüchtigt, angefangene Dinge – wie zum Beispiel ihr Medizinstudium – nicht zu Ende zu bringen. Eine Krebspatientin versucht sie zu motivieren, sich für einen Triathlon anzumelden, um aus ihrer “dunklen Ultraschallkammer” mal herauszukommen und ein wenig frische Luft zu tanken. Als Natalie zögert, empfiehlt sie ihr, sich ein Video von Julie Moss – das Ironman Finish 1982 – als Inspiration anzusehen. Fasziniert von der dort gezeigten Willensanstrengung überredet Natalie ihre beste Freundin dazu, sich gemeinsam für den National Triathlon in Washington D.C. anzumelden. Sie schließen sich gemeinsam einem Triathlon-Team an und treffen dort auf eine Reihe interessanter Charaktere, jeder mit eigenen Zielen, einer eigenen Geschichte und eigenen Schwächen. Vom alternden, verwitweten Ex-Wrestler, der durch Triathlon einen neuen Lebensinhalt gefunden hat und seine Lebensweisheiten an das Team weiter gibt bis zur frustrierten Ex-Profiathletin, die ihre vielversprechende Karriere aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes zu früh aufgeben musste, sind alle Schattierungen dabei.

Ich muss gestehen, dass ich anfangs mehr als skeptisch war: ein amerikanischer Indie-Sportfilm über Triathlon; das hörte sich nach Klischees, Pathos und einem kruden Plot an. Selten lag ich mehr daneben. Das, was vermeintlich die Schwächen dieses Films hätten sein können, entpuppen sich meiner Meinung nach als seine Stärken. Keine durchgestylten Hollywood-Charaktere, keine hochdramatische Tränendrüsen-Story und erst recht keine absurden Plot-Twists. Den Machern ist es in der Tat gelungen, einen Film über Triathlon und nicht über einen Triathleten zu machen.
Die Hauptcharaktere dienen lediglich als verbindendes Element – denn um was es eigentlich geht, sind die großen und kleinen Geschichten rund um den Triathlon, wie sie jeder von uns kennt. Seien es die diversen Antriebsfedern, die uns zum Training treiben, die immer wieder kehrende Frage des “warum” eigentlich oder die vielen Monologe, die man auf der Laufstrecke oder dem Rad mit sich führt. Tri wird dabei eigentlich so gut wie nie kitschig – vom üblichen Schuss Pathos, den man bei amerikanischen Machwerken immer mit einrechnen muss, mal abgesehen – und behält an vielen Stellen immer die notwendige Portion Humor und Selbstironie, wie wir sie aus unseren eigenen täglichen Erfahrungen kennen. Da wird auf Dinge wie den triathletischen Materialwahn genau so mit einem Augenzwinkern angespielt (“12 Sport-BHs, und alle haben eine andere Funktion”) wie auf die Probleme in der Freiwasser-Waschmaschine beim Massenstart (die Szene beinhaltet sogar eine recht nette Idee, sich gegen die Startprügelei konsequent abzuhärten). Wer zudem weiß, dass das Absingen der amerikanischen Nationalhymne zu jedem großen und kleinen Sport-Event in den Vereinigten Staaten gehört, wird auch diese kurze Inszenierung verkraften.

Nicht mal eine der Standard-Kritikpunkte, welche man – normalerweise  – gegen einen solchen Film ins Feld führen könnte, trifft hier zu. Die Wettkämpfe, das Material, das gesamte Drumherum ist realistisch. Vom 2XU Transition Bag bis zum Cervelo P5 im Bikeshop. Dies mag unter anderem daran liegen, dass (Indie Produktion sei dank) entsprechend unter “Realbedingungen”, also bei echten Events und in realen Stores gedreht wurde. Teilweise macht Tri an dieser Stelle fast schon den Eindruck einer Dokumentation anstelle eines Spielfilms.

Wie also lautet das Fazit? Definitiv sehenswert, zumindest für Triathleten und alle, die es werden wollen. Man erkennt sich an so vielen Stellen wieder, fühlt sich sogar das ein oder andere mal ertappt und wem bei den filmisch super umgesetzten Bildern der Starts oder der Wechselzonen-Action nicht wenigstens ein wenig Adrenalin durch die Adern schießt, der hat es vermutlich auch selbst so noch nie in Realität erlebt. Ob Tri dagegen Nicht-Ausdauersportler, die sich für das Thema überhaupt nicht interessieren, mitreißen kann, wage ich zu bezweifeln und würde ihn vermutlich niemanden als romantische Unterhaltung für ein erstes Film-Date empfehlen.

Tri ist aktuell nur im amerikanischen Original und digital über iTunes, Google Play, Amazon Video und Sony Entertainment Network verfügbar.

UPDATE: Der Film ist seit dem 18. Juli 2017 auch in Deutschland verfügbar.
http://www.triforcure.com/triforcure/buy-now/

Meine Bewertung: 8 von 10 Punkten
Sehenswert!

Webseite von Tri

Facebookseite von Tri

Tri in der Internet Movie Database

2 Kommentare

  1. Hallo, das ist ein super Tipp, vielen Dank und toll geschrieben.
    Leider finde ich den Film bei ITunes nicht. Hast Du weitere Infos, die ich angegeben kann?
    Liebe Grüße
    Claudia

    • Hallo Claudia,
      der Film ist aktuell leider nur bei den US-amerikanischen Varianten der Streamingdienste wie ITunes oder Amazon Video zu finden. Ab 23. Januar dann auch bei Amazon und ITunes UK und Irland.
      Ich habe heute extra nochmal die Produktionsfirma (Red Zeppelin Productions) angeschrieben, weil ich wissen wollte, ob und wann es einen offiziellen Deutschland-Release gibt und habe folgende Antwort erhalten:

      We are planning on releasing the film in Germany on iTunes, Amazon and other digital platforms later this year.

      Das ist natürlich reichlich vage, aber wir bleiben dran und geben sofort bescheid, wenn sich was tut.

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