Beinarbeit: Verstecktes Potential beim Schwimmen

Das des Triathleten Beine hauptsächlich zum Radeln und Laufen gedacht sind und ihr Nutzen während des Schwimmens – wenn überhaupt – in vielen Fällen maximal auf das Gleichgewicht-Halten reduziert wird, dürfte mehr oder weniger ein offenes aber unausgesprochenes Geheimnis sein. Um so faszinierender ist die Tatsache, dass extensiv und mit Zuhilfenahme diverser Spielzeuge (Kickboard, Schnorchel, etc.) an einer Beinarbeit gewerkelt wird ohne das Ergebnis dieser Mühen am Ende auch sinnvoll nutzen zu können oder wollen. 

Regenerative Einheiten zu schwimmen hat oft einen interessanten Nebeneffekt: Es bleibt in sehr vielen Fällen Zeit und vor allem auch genug Blut im Hirn, um sich dass, was sich neben oder vor einem auf der Bahn abspielt, genauer zu betrachten; oft genug mit dem Bestreben, denjenigen der da so vor sich hin paddelt mal anzuhalten und zu fragen, was er oder sie da eigentlich genau macht. Allein die Höflichkeit verbietet es (Wichtiger Hinweis: Immer nur Tipps geben, wenn man danach gefragt wird).

Das viele Triathleten nicht die Schwimmer vor dem Herrn sind ist allgemeiner Konsens und so ist es dann auch nicht verwunderlich, dass selbst ein optischer Vorzeigeathlet im Wasser häufig eine eher unterdurchschnittliche Figur abgibt. Trotzdem wird ordentlich und vor allem nach Plan und mit viel Equipment trainiert, unter anderem auch Beinarbeit.
Da wird dann mit Kickboard gestrampelt bis zum geht nicht mehr bei minimaler Vorwärtsbewegung. Und während man bei den Armen versucht, mit mehr oder weniger optimierter Zugtechnik effizienter zu schwimmen, wird bei der Beinarbeit nicht so genau hingeschaut oder dann in der ganzen Lage eben diese bis auf ein kurzes Zucken ganz eingestellt. Dabei sind die Probleme, die viele mit dem Beinschlag haben, eigentlich recht simple zu klassifizieren:

  • Hängende Beine: die Beine knicken in der Hüfte deutlich nach unten ab
  • Beinschlag aus dem Kniegelenk heraus: dies geht häufig mit den hängenden Beinen einher – der Beinschlag kommt zum Großteil aus den Knien anstelle der Hüfte
  • Alibi-Beinarbeit: alle paar Meter kommt mal ein Zucken vom rechten oder linken Bein um das Gleichgewicht zu halten aber ohne Vortrieb zu produzieren

Diesen Problemen wollen wir hier etwas genauer auf den Grund gehen, schauen, wie man sie beheben kann und was das dann genau bringt.

Was bringt der Beinschlag überhaupt?

Darauf kann ich nur mit einem eindeutigen “Kommt drauf an” antworten. Triathleten sind von Effizienz besessen, somit hört man natürlich oft das Argument, die Kraft in den Beinen solle man besser fürs Radfahren und Laufen aufheben, Beinarbeit beim Schwimmen werde überbewertet. Gerne übersehen wird dabei, dass eine saubere Beinarbeit auch in einer besseren Wasserlage resultiert und somit die Effizient beim Schwimmen erheblich steigert und den Gesamtkraftaufwand verringert – auch wenn man die Arme später nicht mehr so extensiv braucht, sollte auch beim Schwimmen ein effizienter Energieverbrauch angestrebt werden. Schon die Tatsache, dass viele mit Pullbuoy zwischen den Beinen oder mit Neo (der die Beine ja auch in eine bessere Wasserlage hebt) deutlich schneller und mit weniger Anstrengung unterwegs sind, sollte den meisten Athleten einen entsprechenden Denkanstoß geben.
Dazu kann man sich dann noch überlegen, dass, selbst wenn man bei nur moderatem Beinschlag pro 50m evtl. 1 – 1,5 Sekunden schneller ist, diese auf 1000 Meter schon 20 – 30 Sekunden und auf 3,8 km zwischen einer und drei Minuten ausmacht. Wenn dann am Ende im Split statt 1:02 Stunden plötzlich nur noch 59 Minuten stehen, so sieht das doch gleich schon viel eindrucksvoller aus.
Welch enormen Leistungsunterschiede die Beinarbeit ausmachen kann, lässt sich allein daran erkennen, dass die Meisten von uns schon beim Schwimmen der ganzen Lage über 100 oder 200 Meter deutlich langsamer wären als ein Elite-Sprinter, der nur mit Beinschlag schwimmt.

Der Bremsklotz an mir: Wenn es hinten hängt

Egal ob Beinschlag oder nicht, bei vielen Triathleten ist zu beobachten, dass sie beim Schwimmen in der Hüfte deutlich abknicken, sprich die Beine baumeln Richtung Boden. Diese Wasserlage ist natürlich absolut kontraproduktiv, eventuell mit Beinschlag erzeugter Vortrieb verpufft einfach und noch dazu hängt dort dann ein aquadynamischer Bremsklotz an einem rum, der nicht nur verlangsamt, sondern damit ganz automatisch auch noch mehr Kraftaufwand für die Arme bedeutet.
Dieses Abknicken kann unterschiedliche Ursachen haben: Instabile Rumpfmuskulatur und damit fehlende Körperspannung, schlechtes Gefühlt für die Wasserlage, Kopf/Oberkörper zu hoch, usw. Wenn Ihr dieses Problem bei Euch feststellt, versucht herauszufinden, was die Ursache bei Euch ist. Vielleicht reichen schon ein paar Stabilisationsübungen für den Rumpf um eine flachere Schwimmlage hinzubekommen. Achtet auch mal bewusst darauf, ob Ihr beim Beinschlag ohne Probleme mit den Füßen die Wasseroberfläche durchstoßen könnt. Wenn dem nicht so ist, dann hängen Eure Beine definitiv zu tief im Wasser. Wenn es aber an der fehlenden Rumpfmuskulatur und am fehlenden Wassergefühl nicht liegt, dann ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch am restlichen Schwimmstil was im Argen und dann solltet Ihr einen Coach/Trainier in Erwägung ziehen, der das mit Euch korrigieren kann.
Denkt immer dran: je flacher Ihr im Wasser liegt, desto effektiver und effizienter ist euer Schwimmstil.

Tipp: Lasst im Training mal bewusst ganz extrem die Beine hängen und schaut einfach , wie viel zusätzliche Kraft Euch das Schwimmen kostet. Um eventuelle Korrekturbewegungen zu vermeiden, könnt Ihr die Füße dabei überkreuzen.

Anständiger Vortrieb: Es kommt alles aus der Hüfte

Auch ein sehr oft beobachtetes Phänomen: der Beinschlag wird hauptsächlich aus dem Kniegelenk ausgeführt, das heißt, die Kickbewegung entsteht aus einem Anwinkeln des Beins. Oft tritt dieses Problem zusammen mit den bereits beschriebenen hängenden Beinen auf, vermutlich um den ansonsten nur nach unten gehen Kick auszugleichen. Führt man sich nun vor Augen, wie der eigentliche Vortrieb beim Kraulbeinschlag zustande kommt, erkennt man sehr schnell das Problem. Der Vortrieb geht auf der vom Unterschenkel beschriebenen Kreisbahn fast komplett flöten.
Überlegt man nun wie der Vortrieb eigentlich erzeugt werden soll, nämlich durch die vertikale Bewegung der gestreckten Füße, wird einem sehr deutlich, dass ein starkes Abknicken im Kniegelenk kontraproduktiv ist.
Bei einem sauberen Beinschlag ist das Knie höchstens leicht angewinkelt, die Beinarbeit wird ausschließlich aus der Hüfte ausgeführt, die Füße sind gestreckt. Stellt Euch vor, wie in etwa Schwimmflossen funktionieren, diese entfalten ihre volle Wirkung auch nur, wenn die Fläche mit einer Vertikalen Auf-/Abbewegung durchs Wasser gezogen wird.

Tipp: Wenn Ihr einen Arme/Beine-Technikblock schwimmt, versucht darauf zu achten, dass die Beine mit gestreckten Füßen und ohne die Knie anzuwinkeln hinter Euch die Wasseroberfläche durchstoßen.
Oder schwimmt das Arme-Beine-Training komplett ohne Hilfsmittel (mache ich schon immer so). Dann seid Ihr gezwungen, Eure Wasserlage und die Beinarbeit zu optimieren, oder aber einfach an Ort und Stelle unterzugehen. 😉

Es geht voran: kontinuierlicher Beinschlag

Selbst wenn die Technik perfekt sitzt, hilft sie niemandem, wenn sie nicht angewendet wird, sprich, die Beine nur alle paar Armzüge ein kurzes Lebenszeichen in Form eines Zuckens oder einer Alibibewegung von sich gibt. Ein kontinuierlicher Beinschlag hilft der gleichmäßigen Vorwärtsbewegung während des Kraulschwimmens.
Gerne wird ja im Zusammenhang mit effizientem Schwimmen von einer langen Gleitphase gesprochen. Um es nochmal klar zu sagen, dieses ominöse lange Gleiten kann es im Schwimmen gar nicht geben und gibt es auch nicht, sondern ist vielmehr auf einen Übersetzungsfehler aus einem englischen Artikel zurückzuführen. Gleiten im Herkömmlichen Sinne würde eine reibungs- und widerstandsarme Umgebung voraussetzen (etwa eine Eisfläche beim Schlittschuhlaufen) und genau dies ist Wasser mit Sicherheit nicht! In dem Moment, wenn keine Kraft (kein Arm- und kein Beinschlag) aufgewendet wird, bremst einen Wasser gnadenlos ab und es erfordert erneuten Kraftaufwand, das System (den Schwimmer) wieder zu beschleunigen.
Spricht man vom langen Gleiten, dann ist eine optimale Ausnutzung von Zuglänge und Beinschlag innerhalb eines Kraulzyklus gemeint, in der durch kontinuierlichen Krafteinsatz die Vorwärtsbewegung gleichmäßig aufrecht erhalten werden kann. Ein kontinuierlicher Beinschlag unterstützt das optimale Ausnutzen aller Zugphasen dabei erheblich und mag eventuell auftretende Totpunkte in der Armbewegung abmildern (zum Beispiel eine nur halb ausgeführte Druckphase).

Tipp: Achtet im Training vor allem bei längeren Distanzen darauf, ob und ab wann Ihr Euren Beinschlag vernachlässigt. Der Erfahrung nach ist es gerade bei kurzen Sprints so, dass das Erste, was beim Nachlassen der Kräfte mit nachlässt, die Beinarbeit ist und auf längeren Strecken wird oft von vornherein auf einen Einsatz der Beine verzichtet (weils ja anstrengend ist). Denkt auch daran, dass bei langen Strecken ein ruhiger gleichmäßiger Beinschlag besser ist, der einerseits Eure Wasserlage stabilisiert und Euch andererseits ein wenig beim Vortrieb unterstützt.

Fazit

Egal ob Ihr Zielzeitambitionen habt oder einfach nur ankommen wollt, um die Disziplin Schwimmen kommt Ihr nicht drum herum. Wer eine saubere Beinarbeit beim Kraulschwimmen nicht vernachlässigt, der kann, neben der Tatsache, dass sich der Swim-Split (bei Bedarf auch ohne Neo) effizienter und kraft schonender hinter sich bringen lässt, vielleicht noch die ein oder andere Minute bereits beim Schwimmen extra für sich heraus holen und vielleicht ist es ja genau diese eine Minute, die am Ende zum Knacken der eigenen Zeitvorgabe noch gefehlt hat.

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