Kona 2018…ein Fan-Festival der Unsportlichkeit

Ich muss gestehen: Die diesjährige Ironman WM hat mir doch ein wenig den Spaß am Triathlon verdorben. Allerdings lag dies nicht an den Athleten, zumindest nicht direkt. Eher an der drumherum wuchernden Experten- und Fan-“Kultur”, die sich bereits während und erst recht nach dem Wettkampf in Social Media, Insider-Foren und Kommentarbereichen diverser Online-Zeitungen und Magazinen ihre Bahn brach. 

Sind wir ehrlich, die Sache mit Sympathie und Antipathie ist nicht wirklich einfach zu handhaben. Mit Logik und Objektivität lässt sie sich erst recht nicht erklären. Von daher ist es durchaus verständlich, dass die Geschmäcker bei den Fans diverser Athleten halt auch sehr “divers” sind. Dass ist auch vollkommen in Ordnung und von der Popkultur über klassische Literatur (ich kann mit Shakespeare auch mehr Anfangen als mit Goethe) bis hin zu Anhängern einschlägiger Youtube-Stars zu beobachten.
Auch ist mir durchaus klar, dass der aktuelle Ironman-Weltmeister diesbezüglich sehr spaltet und ich kann es bis zu einem gewissen Grad durchaus nachvollziehen, denn die Art, mit der Patrick Lange in der Öffentlichkeit auftritt, ist nicht jedermanns- oder fraus Sache. Er ist keine Social-Media-Rampensau wie ein Lionel Sanders, in Interviews nicht so abgeklärt wie ein Jan Frodeno, hat vielleicht auch nicht den Coolness-Faktor eines Sebi Kienle, schwankt in Interviews gerne zwischen distanzierter Professionalität und emotionalen Ausbrüchen und hat erst recht nicht die “Street Credibility” seines Coaches Faris al Sultan. Kurz gesagt, er ist keiner eben dieser Herren sondern er ist er selbst mit allen Kanten und Macken. Einige kommen damit besser klar andere weniger, dass kennen wir aus unserem täglich Mit- und Gegeneinander.

Dass sich der ein oder andere Fan oder die ein oder andere Fanin (man muss ja heutzutage korrekt sein) dann auch rein aus Sympathiegründen gerne einen anderen Hawaii-Sieger und Weltmeister wünscht ist verständlich, dafür sind Geschmäcker nun einmal da. Die Folgen, welche Patrick Langes Sieg in den bereits oben genannten Medien teilweise hatte, waren allerdings an Unsportlichkeit kaum zu überbieten und haben für mich einen ausgesprochen unappetitliches Bild auf unseren Sport geworfen, unter anderem deshalb, weil diese Unsportlichkeiten auch von ambitionierten Amateurathleten und sogar von dem ein oder anderen “Coach” mit begangen wurden, denen ich vermutlich mehr  Fairness und einen sachlicheren Umgang zugetraut habe.

Nicht nur dass teilweise auf persönlichste Art über den neuen alten Weltmeister hergezogen wurde – der Heiratsantrag mag Geschmackssache sein, aber ihn als idiotisch oder abgrundtief peinlich abzustempeln ist beledigend – , man hat an diversesten Stellen und mit allen möglichen und vor allem unmöglich Argumenten versucht, seine Leistung klein zu reden.
“Wäre Frodeno da gewesen, hätte er keine Chance gehabt”, “Ohne technischen Defekt wäre Kienle Besser gewesen”, “er hat sich auf dem Rad ja nur von Dreiz ziehen lassen – das war abgesprochen”…Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzten. Noch grenzwertiger jedoch finde ich die Tatsache, dass aufgrund des Sieges plötzlich Diskussionen über die 12 Meter-Windschatten-Regel auf dem Rad aufkam und ob man diese nicht ändern könnte. Ich frage mich, ob diese Diskussion genau so geführt worden wäre, hätte ein andere aus diesem breiten Verfolgerfeld gewonnen. Allerdings befürchte ich, die Antwort recht genau zu kennen.
Auch dass an der ein oder anderen Stelle der Rad-Truppe in welcher Lange fuhr unterstellt wurde, keine Eier zu haben und ordentlich auf Angriff gebürstet zu fahren, hinterlässt mich einigermaßen ratlos. Vielleicht weil mir die Fantasie und auch das sportliche Leistungsvermögen fehlt, mir vorzustellen zu können, wie man bei einem Durchschnitt von etwa 42,5  km/h auf 180 Kilometer noch eine oder mehre Attacke reiten soll ohne sich dabei völlig idiotischer Weise zugrunde zu reiten und den Marathon lediglich für den Coolness-Faktor in die Tonne zu kloppen. Gerade hier erstaunt mich doch die geringe Expertise der sogenannten Experten da draußen. Denn letztendlich scheint ja die Erwartung eben jener zu sein, dass man sich für ein gewisses Maß an Sympathie ihrerseits ehre “unprofessionell” verhalten sollte.

Also stellt sich weiterhin die Frage, was hat Patrick Lange falsch gemacht? Sportlich kann es nichts gewesen sein, denn er war in diesem UND im letzten Jahr der Beste auf Hawaii, wäre dem nicht so gewesen, dann hieße der Weltmeister jetzt anders PUNKT UND AUSRUFEZEICHEN. Eine Diskussion ob irgend wer unter anderen Bedingungen ihn hätte vielleicht besiegen können erübrigt sich, denn für alle galten die gleichen Regeln und alle hatten die selben Bedingungen. Ein “Hätte, Wenn” ist irrelevant, lediglich ein “Hatte, War” zählt.
Ich denke, Patricks großes Problem ist es, nicht in das Image zu passen, dass so viele von “ihrem” Sport haben. Ich kann mich durchaus noch daran erinnern, dass auch Jan Frodeno nach seinem ersten Hawaii-Sieg  nicht besonders hoch im Kurs bei vielen stand, weil er halt in ihren Augen ein hohes Maß an professioneller Kaltschnäuzigkeit repräsentierte. Dieses Image hat sich erst in den letzten ein, zwei Jahren gewandelt, zum einen, weil er dieses Image zu seinem Vorteil gedreht hat, zum anderen, weil ihn solche Geschehnisse wie Kona 2017 natürlich in ein anderes Licht rücken.
Viele, die diesen Sport betreiben, wollen Typen wie Sanders oder auch Faris sehen, Typen, die einen gewissen anarchischen Touch haben und sich jenseits der Konventionen verhalten. Sie können es nicht ertragen, dass dieser Sport, der in den letzten Jahren ein zunehmendes Maß an Professionalisierung erfahren hat, auch erfolgreiche Profis haben kann, welche nicht dem Klischee des Einzelkämpfers, Paradiesvogels oder Rebellen entspricht.
Es verhält sich so ähnlich, wie ich es schon in Wir sind unwürdig: Leistung ist eine Frage der Perspektive beschrieben habe: Viele sehen sich als Teil einer Elite, einer kleinen Gruppe Individualisten, in die ein Typ wie Patrick Lange – der unauffällige Typ von nebenan, der keine tragischen Stories, Drogeneskapaden oder grellen Medienauftritte vorzuweisen hat – einfach nicht reingehört.

Diese Meinung mag man haben oder auch nicht. Jedoch ist es kein Grund, sich dermaßen unsportlich zu verhalten, wie es viele nach letzten Samstag getan haben, denn eine Leistung ist eine Leistung. Und auch wenn unsere Sportart wächst und die Typen und Typinnen, die damit in diesem Umfeld wiederzufinden sind, noch unterschiedlicher, noch diverser werden, so ist dass doch kein Grund jeglichen Respekt voreinander zu verlieren, denn damit tun wir unserem Sport, unserer Community keinen Gefallen.

 

 

1 Kommentar

  1. Uff,das war mal eine ordentliche Latte.Eigentlich ist schon alles gesagt,und zwar passend. Ich selber bin einer dieser Paradiesvögel auf Grund einer ordentlicher Menge Tattoos.Dennoch ist die Leistung von P.L. so zu akzeptieren,wie sie erbracht wurde.Ich war letztes Jahr auch auf Hawaii und die Leute vor Ort hatten nichts Negatives über Patrik gesagt, weil sie ja selber da waren. Die also,die sich mokierten waren vor dem Fernseher,was beinhaltet,daß sie schon wieder nicht qualifiziert waren.NEID ??

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