Eigentlich sollten die ersten Trainingsberichte wie Anfang Januar angekündigt (Running Open Source again…und was das Jahr sonst so bringen könnte) bereits veröffentlicht sein. Alleine die Realität ist es, die einem wie üblich einen Strich durch die ach so minutiös ausgearbeiteten Pläne und Ziele macht. Und anstatt über die erste Grundlagenphase zu philosophieren und die nahen und fernen Ziele der Saison vorzustellen, bin ich jetzt in der durchaus nicht erfreulichen Lage, den Leser mit Erfahrungen und Tipps zu einem gesundheitlich klassischen Fehlstart in die Saison 2019 zu versorgen.
Ich gebe es zu: eigentlich habe ich die letzten Jahre immer sehr viel Glück gehabt und wurde von jedweder Grippe- und Erkältungswelle oder auch von den üblichen Zipperlein, an denen Ausdauersportler so gerne leiden, fast komplett verschont. Klar hat mal der ein oder andere Muskel gezwickt und mein alljährliches Nießmartyrium Ende Mai war auch nicht wirklich eine Wohltat (vor allem nicht für mein Umfeld), aber nie hat mich irgendwas länger als zwei bis drei Tage vom Training abgehalten.
Auch die fast direkt mit Veröffentlichung des letzten Beitrages auftretenden leichten Erkältungsanzeichen hätten mich nicht weiter nervös gemacht. Aus Erfahrung weiß ich, dass diese mit ein bis zwei Tagen Auszeit und ein paar heißen Bädern durchaus kurzfristig zu beheben sind. Nun, dieses mal wohl nicht und entsprechend tief habe ich in den gesundheitlichen Sch***…ähhh…Misthaufen gegriffen. Die Erkältung beschloss auf die Langdistanz zu gehen und den Marathon am Ende als 14 Tage Bronchitis mit Verlängerung und Elfmeterschießen in Form eines muskulär völlig desolaten Brustkorbes zu bewältigen. Jegliche Trainingsversuche scheiterten bereits im Ansatz und letztendlich sind jetzt gute vier Wochen ins Land gegangen, in denen ich jede Menge Training habe sausen lassen, zwei Fehlstarts hingelegt und diverse “Erholungseinheiten” ausgearbeitet habe. Wäre noch zu erwähnen, dass auch die häusliche Situation ab und an ein wenig angespannt war, denn wenn die Familie schon bei zwei Wochen Tapering aufgrund der psychischen Unausgeglichenheit des Ausdauerfreaks eine Krise bekommt, so ist die Situation nach vier Wochen wohl eher mit der Anspannung vor einem nuklearen Erstschlag zu vergleichen.
Sei es wie es sei, der Start in die Saison 2019 kann man in jeder Hinsicht getrost als “verkackt” bezeichnen. Was also tun? Nun, wie immer das Beste draus machen und die Erfahrungen, welche ich so machen “durfte” weitergeben.
If in doubt, leave it out
Eine oft gehörte und viel zitierte Weisheit, die man unbedingt beherzigen sollte. Sollte Ihr im Zweifel sein, ob Eure Physis nach oder auch noch während einer Krankheit dazu geeignet ist, wieder zu trainieren, dann seit Euch sicher, sie ist es NICHT. Der Zweifel rührt in sehr vielen Fällen daher, dass sich irgend etwas nicht so anfühlt, wie es sich anfühlen sollte und solange dieser Zustand anhält, lasst die Finger von Euren Trainingsplänen.
Ich habe zweimal versucht, mit Recovery-Einheiten, bei denen ich jeweils kurze Blöcke von 10 bis 20 Minuten Laufen mit Gehpausen kombiniert habe, zumindest ein leichtes Training zu absolvieren. In beiden Fällen hat sich danach eine weitere Pause angeschlossen, weil mein Kopf das zwar zufriedenstellend fand, aber der Körper mir den Mittelfinger gezeigt hat. Lasst Euch also nicht von den Hummeln im Hintern oder irgend welchem externen Druck (siehe unten) verleiten. Ihr verliert weniger, wenn Ihr zum richtigen Zeitpunkt nicht trainiert, als wenn ich Euch zum falschen Zeitpunkt eine längere Zwangspause einhandelt!
Ermpftschnuggn trødå…
…ist eine Wortschöpfung des Kabarettisten Jochen Malmsheimer. Angeblich wurde diese Redewendung vom Homo Homo Sapiens Neanderthalensis geprägt und soll übersetzt so etwas bedeuten wie “Chill mal Dein Leben“. Und genau das würde ich jedem, der einen solchen Fehlstart in die Trainingssaison erlebt, empfehlen. Wenn man es realistisch betrachtet sind die Optionen ja durchaus überschaubar, egal ob in ein, zwei oder drei Monaten die ersten Wettkämpfe auf dem Kalender stehen. Füße stillhalten, sich möglichst vollständig wieder herstellen und dann langsam wieder versuchen, sich in den Trainingsplan zurückzuarbeiten. Und langsam bedeutet in diesem Fall langsam. Es ist er ungut, direkt mit 10-12 Stunden Training wieder einzusteigen, wenn man vier Wochen die Füße (und Arme) stillgehalten hat.
Aber zurück zum chillen: Da man an der Situation sowieso nichts ändern kann – der Körper ist gesund, wenn er gesund ist -, empfiehlt es sich, sich nicht von den Umständen auch noch psychisch unter Druck setzen zu lassen. Auch Euer Umfeld wird es Euch danken, denn das wird alleine schon aufgrund Eurer Unausgeglichenheit wegen mangelnder körperlicher Ertüchtigung alles dafür tun, Euren Zustand schnellstmöglich zu verbessern.
Also was tun, damit man nicht gänzlich am Rad dreht (Das ist eine Redewendung! Auch Rolleneinheiten werden nicht(!) absolviert!)? Auch wenn Ausdauersportler dafür bekannt sind, Mono-Hobbyisten zu sein, so empfehle ich dringend, auch anderen Freizeitbeschäftigungen nachzugehen (Musik, Zocken, Stricken, Häkeln, etc.). Die jetzt nicht im Training verbrachte Zeit kann man durchaus auch damit verbringen, andere Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern. Meine Fingerfertigkeiten im Bereich der Kartenmagie haben sich in diesen vier Wochen durchaus beträchtlich gesteigert.
Verbannt den Sport mal aus Eurem Hirn und starrt auch nicht die ganze Zeit wenn ihr nicht trainieren könnt auf Eure Trainingspläne. Davon werdet Ihr weder schneller noch ausdauernder und es frustriert am Ende nur.
Keep the pressure low
Im Grunde ist dieser Tipp nur eine Ergänzung zum vorherigen. Solltet Ihr bereits für die ersten Wettkämpfe trainieren und Euer Training fällt für mehrere Wochen aus, dann habt keine Scheu davor, eine Veranstaltung auch sausen zu lassen. Für mich ist inzwischen seit zwei Wochen klar, dass ich den Frankfurt Halbmarathon nicht laufen werden (das erste mal seit vier Jahren). Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, vor Allem da es sich inzwischen fast zu einer Tradition entwickelt hat, mit diesem Event in die Wettkampfsaison zu starten.
Durch meine Entscheidung fällt nun eine ganze Menge Druck weg, welcher mich immer wieder dazu verleitet hätte, weiter zu trainieren, auch wenn es einfach nicht sinnvoll gewesen wäre. Wir alle kennen dieses Phänomen: Ist man erstmal gemeldet, geht einem die Sause und die Trainingskilometer und Intensitäten werden abgespult wie sonstwas. Gerade wenn Ihr Euch von einer längeren Pause erholt, sollte eben ein solcher Druck nicht existieren, da genau dies Euch gegen das bessere Wissen wieder nach draußen treibt. Vielleicht habt Ihr sogar Glück und schafft es, noch irgendwie einen halbwegs soliden Zustand bis zum Wettkampf zu erreichen. Ihr geht aber auch das Risiko ein, dass Ihr Euch durch diese Hau-Ruck-Aktion für den Rest der Saison noch weiter ins Hintertreffen bringt und den Rest des Jahres dann noch mehr hinter Euren (Trainings)Planungen hinterher hetzt.
Daher meine Empfehlung: Nehmt den Druck raus, die Saison ist noch lang und am Ende habt Ihr mehr Zeit, die anfänglichen Defizite aufzuholen, als wenn Ihr Eure Pulver bereits jetzt aufgrund von widrigen Umständen verschießt.
The return of the Innerer Schweinehund
Ja, er kommt wieder. Aus mehreren Gründen. Wenn Ihr vernünftiger Weise erstmal Pause gemacht habt, wird es am Anfang erst einmal schwer werden. Ich habe festgestellt, dass gerade durch die Bronchitis und all ihre Nebeneffekte, Einheiten, die eigentlich nie eine Herausforderung waren, plötzlich wieder zu einer gewissen Hürde geworden sind. An lange Läufe brauche ich aktuell nicht zu denken. Momentan bin ich froh, wenn ich demnächst irgendwann mal wieder 12 Kilometer in einer Stunde zusammenbekomme. Meine Gesamtradkilometer dieses Jahr sind immer noch zweistellig und aktuell machen mir sogar kleine Hügel ein wenig Angst.
Lange Rede, kurzer Sinn: Versucht nicht, beim Wiedereinstieg direkt auf dem Niveau zu beginnen, dass Ihr vor der Zwangspause hattet. Das frustriert nur. Steigt locker wieder ein und schaut, ab wann Euch die volle Leistung zur Verfügung steht. Hetzt nicht Eurem Plan hinterher. Eine Woche könnt Ihr eventuell noch aufholen, vielleicht sogar zwei. In allen anderen Fällen, passt Eure Planung der Situation an. Der Verlust, wenn Euch am Ende eine Woche in der Build-Phase fehlt oder der Peak etwas kürzer ist, ist minimal im Vergleich zu dem was passieren wird, wenn Ihr ständig versucht, den Rückstand einzuholen und Euch damit übernehmt.
Nach all den Ratschlägen, die ich Euch hier versuche mit auf den Weg zu geben, bleibt mir nur noch eines zu tun: Mich selbst daran zu halten. 😉
Da wir alle Ausdauerfreaks sind, wissen wir, wie schwer uns sowas fällt. Aber vielleicht können wir es ja als Teil der Gesamtherausforderung sehen und es uns psychologisch somit etwas leichter machen.
In diesem Sinne hoffe ich, dass der nächste Open-Source-Beitrag weniger lange auf sich warten lässt, es in diesem dann wirklich um Trainingsinhalte und Saisonziele geht und zumindest die Meisten von Euch einen guten Start in das aktuelle Sportjahr hatten.
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