Zugegeben, die Überschrift dieser Konro-Verse ist ein wenig polemisch. Und einen Shitstorm hat die Entscheidung von Ironman, sich als neuen Hauptsponsor eine Schmerzmittelmarke zu angeln, auch nicht ausgelöst. Maximal ein laues Shit-Lüftchen mit ein wenig Grundrauschen in den einschlägigen Diskussionsforen. Dabei wäre es diese Entscheidung des großen M-Dot durchaus wert, mal genauer unter die Lupe genommen zu werden, und zwar nicht ausschließlich von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus.
“Pecunia non olet” pflegten die Alten Römer zu sagen und prägten damit eine Binsenweisheit, die sich bis heute im allgemeinen Sprachgebrauch hält. Welche olfaktorischen Eigenschaften Geld nun auch haben mag, ist in den allermeisten Fällen für wirtschaftliche Entscheidungen großer Unternehmen bestenfalls dritt- oder viertrangig. Der Zaster muss fließen, ganz besonders, wenn ein großer Investor einen nicht ganz unbeträchtlichen Haufen eben von diesem in ein solches Unternehmen gesteckt hat. Da ist die Word Triathlon Corporation mit ihrer Marke Ironman mit Sicherheit keine Ausnahme, wie in den letzten Jahren doch recht häufig unter Beweis gestellt wurde.
Schon die Entscheidung für Amazon als Titelsponsor der Ironman-WM 2018 dürfte bei dem ein oder anderen ein ratloses Kopfkratzen hervorgerufen haben. Warum Amazon? Welche halbwegs plausible Erklärung gibt es für diese Entscheidung? Die in diesen Fällen meist richtige Erklärung: Die einen wollen Geld, die anderen Sichtbarkeit und Renommee. Ein Unternehmen versucht per Sponsoring nicht nur Sichtbarkeit sondern auch eine gewisse Positionierung der eigenen Marke zu erreichen. Und bei dem Ruf des hart arbeitenden und willensstarken Athleten, den Triathleten in der breiten Öffentlichkeit genießen (abseits des “alles Freaks” und “die sind ja sowieso alle gedopt” Tenors), ist die Ironman-Weltmeisterschaft das ideale Ziel, eben jene eigene Marke in diesem Licht darzustellen.
Was ist nun an dieser Stelle das Problem mit dem diesjährigen Titelsponsor “Aleve“? Ein Schmerzmittel ist doch an sich nicht wirklich etwas moralisch oder gesellschaftlich Bedenkliches, eher eine Errungenschaft der modernen Pharmazie und trägt zu einem allgemein besseren Lebenstandard bei, hilft uns im Alltag, etc. pp. Das ist alles korrekt und dem muss man auch nicht widersprechen. Jedoch ist das Image eines Produktes oder eine Marke auch immer abhängig vom Kontext.
Machen wir mal ein paar Gedankenexperimente. Ignorieren wir einfach mal den Fakt, dass es Tabakwerbeverbote in diversen Ländern gibt (in anderen wiederum nicht) und fragen uns, was passieren würde, wenn Philip Morris die Fußballweltmeisterschaft unterstützen würde (die aufzubringenden Beträge wären für das Unternehmen Peanuts). Oder Sinopharm die Schwimm-WM (Gut, machen sie vermutlich sowieso). Monsanto die Tour de France…wobei, da ist es eh egal, der Ruf beider ist eh komplett im Ar***.
Andersrum kann das genau so schief gehen. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen Sponsoring für eine Sportart, eine Veranstaltung, ein Team betreibt, dessen Verhalten oder Geschäftsgebaren zu einem schlechten Ruf führen, dann ist es konsequenterweise im Interesse dieses Unternehmens, sich zu distanzieren um keinen Image-Schaden davon zu tragen.
Halten wir fest: Sponsoring funktioniert und findet immer nur im Kontext statt. Ausdauersport + Tabakwaren = Unmöglich. Großes M-Dot + goldene M-Bögen = No Go, wobei es mich nicht wundern würde, wenn…aber egal.
Das Problem mit “Aleve” ist nicht, dass die Marke ein schlechtes oder falsches Image hat. Das Image wird im Kontext eine Triathlon-Veranstaltung aber zumindest grenzwertig, denn es geht nicht mehr darum, mit einem pharmakologischen Produkt die Lebensqualität zu verbessern, sondern man impliziert die Möglichkeit, eben dieses Produkt als “Hilfe” in eben jener Sport zu nutzen. In einigen Fällen nicht nur implizit sondern sogar äußerst explizit, indem man es als empfohlener Bestandteil der Wechselausrüstung aufführt. Damit öffnet man natürlich Tür und Tor für Diskussionen über die Einstellung des Veranstalters zum Thema Doping, über Medikamentenmissbrauch (dank der Opioidkrise in den USA ein heißes Eisen) und somit – zurecht – auch zur Integrität des Veranstalters WTC und der Marke Ironman.
Ließt man dann diverse Diskussionen, dann fallen einem immer wieder die Kommentare ins Auge, die anführen, dass die WTC ja wirtschaftlich alles Richtig gemacht hat, und jeder selber entscheiden könne, wie er mit Schmerzmitteln umzugehen habe. Aus ökonomischer Sicht ist dieser Ansatz sicher nicht verkehrt, aber wie bereits geschrieben, könnte man dann auch jeden beliebigen anderen Sponsor ins Boot holen, ohne dass die Kundschaft (also die Athleten) daran moralische Zweifel haben dürfte. Ich werde einfach mal einige Beispiele hier aufzählen und jeder darf sich gerne mal selber überprüfen, ob ihm oder ihr ein solches “Ironman powered by” wirklich moralisch vollkommen egal wäre: Monsanto, Heckler & Koch, Blackrock, Philip Moris, McDonalds, Coca Cola, Exxon, Gazprom, etc. Ich bin sicher, wir könnten einen tollen Wettbewerb daraus machen, die marketingstrategisch potenziell größten Missgeschicke zu konstruieren, aber dass überlasse ich der Kreativität des Rezipienten (es sei denn, ihr möchtet Eure Vorschläge in den Kommentaren teilen).
Es stellt sich also die Frage, warum die WTC genau diese Sponsorenauswahl für ihre Rennen trifft. Die einfachere aber auch deutlich ernüchterndere Antwort wäre: Die Auswahl an Interessenten für das Sponsoring ist überschaubar groß und wirklich passende Unternehmen sind nicht (mehr) verfügbar. Dann hat man allerdings auch unternehmerisch ein deutliches Imageproblem, dass auf Dauer zu ernsthaften Konsequenzen führen könnte.
Die Alternativerklärung ist: Man ist sich über die Konsequenzen und Reaktionen auf die Sponsorenwahl außerhalb der USA nicht bewusst. Das würde im Falle von “Aleve” sogar Sinn ergeben, denn wenn man bedenkt, dass Schmerzmittel in den USA teilweise wie Gummibärchen konsumiert und dieser Konsum auch nicht kritisch hinterfragt wird, dann übersteigen die geäußerten Kritiken vermutlich den Erkenntnishorizont der Verantwortlichen. Dann würde aber auch hier die Schlussfolgerung lauten: “Hausaufgaben nicht gemacht, liebe WTC. Setzen, 6!”
Bedenkt man, dass schon seit geraumer Zeit eine sehr große Zahl der Teilnehmer sich nicht mehr nur aus US-Amerikanern rekrutiert, dann ist es für eine Marketingabteilung eigentlich ein absolutes Armutszeugnis, sich über die globalen Konsequenzen einer solchen Entscheidung keine Gedanken gemacht zu haben. Oder aber man ist sich inzwischen sehr bewusst darüber, dass die Kunden (namentlich die Age Grouper) inzwischen jeden Blödsinn mitmachen und man eigentlich agieren kann, wie man möchte. Vieles, was bei M-Dot und der WTC aktuell passiert deutet genau darauf hin.
Sei es wie es sei, wenn es ein Unternehmen einmal geschafft hat, selbst mit moralisch äußerst fragwürdigen Entscheidungen keine Konsequenzen mehr auf Kundenseite auszulösen, dann muss es sich wohl um seine ethischen Leitlinien grundsätzlich keine Sorgen mehr machen. In den Diskussionen sieht man sich immer dem gleichen Totschlagargument ausgesetzt: “Musst Du doch wissen, ob Du da startest oder Dein Geld investierst.” Das mag auf der einen Seite richtig sein, auf der anderen Seite sollten sich aber auch alle kritiklos verhaltenden Athleten mal fragen, was eben diese Einstellung über ihr Verhältnis zu unserem Sport sagt und welche Image sie in der Öffentlichkeit damit repräsentieren.
Es hat lange gedauert, bis unser Sport aus den Niederungen seines Nischendaseins heraus und in das Licht der breiteren Öffentlichkeit getreten ist. Genau diese Sichtbarkeit geht aber auch mit dem Bild das die breite Masse von “uns” hat einher. Für den Teilnehmer mag es nur eine persönliche Entscheidung sein, aber im Endeffekt ist das nach außen gezeichnete Bild eines, in welchem Triathleten keine Probleme damit haben, sich Schmerzmittel einzuwerfen, um diese Torturen zu überstehen. Das festigt nur das Bild derjenigen, die uns in der Breite sowieso kollektives Doping vorwerfen.
Von daher wäre es mehr als nur sinnvoll, solche Entscheidungen der Marke Ironman sowie unseren eigenen Umgang damit zu hinterfragen und auch daran zu denken, dass wir nicht nur uns gegenüber eine Verantwortung haben, sonder auch im Umgang mit unseren Mitathleten und darauf, wie wir in der Öffentlichkeit war genommen werden wollen und sollten.
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